Lyrikband „schmerz-wort-tropfen“ von Artur Rosenstern

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Artur Rosenstern

SCHMERZ-WORT-TROPFEN
ostbooks verlag
Broschur, 96 Seiten
ISBN 978-3-947270-00-2
Preis: 10,00 Euro

Artur Rosenstern, in Kasachstan geboren, studierte Musik-, Medienwissenschaft und Geschichte in Paderborn und Detmold. Die Eindrücke seiner Umsiedlung nach Deutschland im Jahre 1990, verarbeitete der Autor in seinem Buch „Planet Germania“, das bereits in der zweiten Auflage vorliegt. Jetzt hat der Prosaist und Lyriker seinen ersten Lyrikband im ostbooks Verlag herausgegeben. Ein Großteil der Gedichte der neu erschienenen Sammlung sind bereits in diversen Literaturzeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Seit nunmehr fünf Jahren verfolge ich Artur Rosensterns Publikationen in Periodika. Im Gegensatz zu seiner eher heiteren Prosa ist seine Lyrik von stilsicherem Tiefgang geprägt. Präzise und bildhaft verfasst er seine Gedichte. Erinnerten seine ersten Versuche eher an lyrische Prosa, so bringt Rosenstern seine Gedanken nun in wenigen Worten auf den Punkt, vor allem dank sorgfältig gewählter Metaphern. Er malt, kreiert eigene Wortschöpfungen, die treffsicher sind.

Wortmalerei und Wortklang sind für Rosensterns Lyrik stilprägend, genauso das Reflektieren über die ewigen Themen – Liebe, Zeit, Krieg, Glück und Hoffnung. Der Buchtitel „schmerz-wort-tropfen“ entstammt einem gleichnamigen Gedichtzyklus, der mit dem Gedicht schmerz beginnt:

schmerz / der andauert / zwingt zur feder / lähmt den alltag / verhilft dem künstler / zur geburt / lobet den schmerz

Satzzeichenfreie Zeilen durch einen scheinbar zufälligen Zeilenumbruch von einer Zeile in die andere fließen lassen, gehört zu den Merkmalen zeitgenössischer Lyrik. Der Autor konfrontiert den Leser mit durchgehender Kleinschreibung, unerwarteten Worttrennungen und Zeilenumbrüchen, die die ganze Aufmerksamkeit des Lesers erfordern. Die Spannung entsteht bereits mit den ersten Worten, beim Versuch, die äußere Struktur des Textes zu erfassen. Erst beim wiederholten Lesen eines Gedichts entdeckt der Leser die Nuancen, die zwischen den Zeilen versteckt zu sein scheinen, und nähert sich den tiefsinnigen Gedanken des Autors. So enthält z. B. das Gedicht falsche zeit – falscher ort Reminiszenzen und Bilder aus der Kindheit des lyrischen ICHs, das, seinen Träumen folgend, das Elternhaus verließ, um das Glück in der weiten Welt zu suchen, und nun, nach einer halben Ewigkeit, endlich die Trauer der Mutter von damals begreift, die, aus eigenen Erfahrungen um die „Brüchigkeit der Träume“ wissend, ihren Sohn dennoch ungehindert hatte träumen lassen. Leise und unaufdringlich klingt hier das schwere Los der Deutschstämmigen in Russland während des Zweiten Weltkriegs an, die frühe, leidvolle Erfahrung der Mutter, unverschuldet zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Der erwachsene Sohn möchte den Abschied von damals neugestalten, geht in die Vergangenheit zurück (auf der suche der zukunft von gestern). Er begegnet seiner Mutter in einem Alter, das er inzwischen selbst erreicht hat, und wagt einen Neubeginn:

ich greif nach dem pinsel in ihrer hand / streiche das hofpflaster weiß und fordere sie auf / zum tanz …

Hier schwingt das biblische Motiv der Rückkehr des verlorenen Sohnes mit. Es ist ein Traum beider Herzen – endlich verstehen und verstanden werden.
Als Lyriker kennt Artur Rosenstern die Macht des Wortes, das zerstörerisch sein kann und zugleicht erbauend und erleuchtend wie in dem Gedichtzyklus Glück und Hoffnung. Er kennt die Qual der Suche nach dem richtigen Wort und den Preis des Schweigens wie im Gedicht ich habe gesprochen mit fremder stimme, das an ein Gedicht von Viktor Schnittke angelehnt und dem Autor gewidmet ist. Die Gedichte von Rosenstern sind präzise durchdacht und zugleich maximal verdichtet, oft mehrdeutig, beinhalten eine klare Struktur und wunderschöne Bilder – all das sind Merkmale der hohen Dichtkunst.
Rosenstern nimmt den Leser mit auf den steinigen Acker der Poesie, offenbart ihm seine Gedanken- und Gefühlswelt, gewährt ihm Einblick in seine literarische Küche wie in dem Gedicht der schattentanz, in dem der Autor den Entstehungsprozess selbst, die „Geburt“ eines Gedichts, zum Thema macht:

wie ein abbild meines morgendlichen ichs / das außer takt im chaos der gefühle / entlang des ziffernblatts in / richtung tagesmitte wandert

Der Autor geht verantwortungsvoll mit Worten um, mit Worten, die lange nachklingen und zum Nachdenken anregen. Als Lyriker hat Rosenstern seine eigene, unverwechselbare Sprache gefunden.

Agnes Gossen-Giesbrecht
Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller

Bestellungen: s. unter Kontakt.

Vorwort von Prof. Dr. Elena Seifert als PDF abrufen …